




Im ersten Teil des Semesters beschäftigten wir uns mit der Konsturktion des Refernzgebäudes. Wir wollten verstehen, wie die komplexe Geometrie des Dachs funktioniert, wie es konstruiert wurde und wie die Balken und Träger zusammengefügt wurden. So entstand das Grundgerüst unseres Modells, eine einzige Ecke des Dachgeschossausbaus im Maßstab 1:1. Zwar wurde die Form behalten, in der Kontruktion sind wir aber vom Bestand abgewichen. Aus Nagelplatten wurden zimmermannsmäßige Holzverbindungen, gemäß europäischen und deutschen Normen.
Im zweiten Teil des Semesters übersetzten wir die Formsprache Tyngs auf ein Dach in Berlin Moabit. Wir wollten sowohl die geometrische Form des Dachs als auch die sichtbaren Balken und Träger in unseren eigenen Entwurf übertragen.Wir entwickelten mehr oder weniger normgerechte Ansätze, um die strengen Brandschutzregeln einhalten zu können. Das Dach wurde in zwei Teile geteilt, in der Hofseite verwendeten wir einen glänzenden, durchsichtigen Brandschutzanstrich, in der Straßenseite wurde die Holzkonstruktion überdimensioniert, um die nötige Feuerwiderstandsklasse zu erreichen. Die beiden Hälften hatten auch einen unterschiedlichen Entwurfsansatz, eine Seite "normal" und eine unüblich.
Den dritten Teil des Semesters verbrachten wir damit, diese Ansätze in den Entwurf des Dachausbau eines ganzen Hauses im Block zu übersetzen. Es entstanden zwei Wohneinheiten für je 4 Personen sowie Räume, die den restlichen Bewohner:innen des Hauses zugänglich waren.


© Benjamin Rieser. All rights reserved.
mängelfrei
studio summacumfemmer
Gruppenarbeit mit
Edwin Pfeffer
SoSe 2024




Geometrie bewohnen
Anne Griswold Tyng war eine amerikanische Architektin, Theoretikerin und Akademikerin. Sie ist vor allem für ihre Zusammenarbeit mit Louis Kahn bekannt, mit dem sie 29 Jahre lang arbeitete. Ihre persönliche Beziehung zu Kahn beeinflusste dessen eigene Entwürfe – so war das Konzept für Kahns berühmten, aber nie gebauten „City Tower“ größtenteils Tyngs Idee. Als das Modell ausgestellt wurde, ließ Kahn jedoch ihren Namen auf dem Begleitetikett unerwähnt.
In ihrer Arbeit faszinierte Tyng die Mathematik und Geometrie, insbesondere die platonischen Körper – dreidimensionale Formen mit gleichen Seiten und gleichen Winkeln. Diese fünf Grundformen bildeten die Basis ihrer Architektur und definierten die Räume, in denen sie sich das Leben vorstellte: „Wohnräume wurden aus einer durchgängigen Geometrie herausgehöhlt, ähnlich wie in einer Bienenwabe.“
Eines der wenigen realisierten Gebäude von Anne Tyng und das einzige noch existierende ist ihr eigenes Haus in Philadelphia, das sie in den 1960er Jahren renovierte und erweiterte. Das Dach – eine geometrische Holzkonstruktion in Form eines Raumfachwerks – sitzt auf dem Fundament des Reihenhauses wie ein Kristall.
Das Ziel unseres Projekts war es, die Referenz, ein Dachgeschossausbau aus dem Amerika der 60er Jahre, in einen Entwurf zu übersetzen, der im heutigen Berlin gebaut werden könnte. Wie können wir die Materialen, Bauweise und Ästhetik dieses Gebäudes erhalten, ohne Mängel zu produzieren und gegen DIN Normen zu verstoßen? Da wir uns mit Zimmerleutsarbeiten beschäftigten, war vor allem der Brandschutz ein großes Thema. Wir haben in den drei Phasen des Semesters unterschiedliche Ansätze ausprobiert. Von Überdimensionierung über versteckte, tragende Konstruktionen bis hin zu glänzenden Brandanstrichen haben wir alle Ideen in einem einzigen, großen Modell vereint.


“Dieses Semester möchten wir baukünstlerische Freiheiten auskosten und gleichzeitig die „Realität“ des (Um)-Bauens voller Zwänge, Widrigkeiten, Verpflichtungen und Konflikten kennen und schätzen lernen. Regelwerke lösen zunächst ein latentes Gefühl von Unwohlsein aus, weil sie uns mehr oder weniger unverblümt sagen, was wir zu tun und zu lassen haben. Dieses Unbehagen wollen wir überwinden. [...]
Als Elefant im Raum wird das gesamte Semester der Begriff des „Mangels“ stehen. Denn als Architekt*innen sind wir (fast immer) vertraglich verpflichtet, ein Werk frei von Mängeln zu planen. Ganz grob gesagt ist ein Werk unter anderem dann mängelfrei, wenn es eine Beschaffenheit aufweist, welche „dem Üblichen“ entspricht, indem es etwa die „Anerkannten Regeln der Technik“ befolgt, zu denen auch die DIN-Normen gehören. Warum aber dann gibt es so viel großartige Architektur, die so gar nicht „dem Üblichen“ entspricht. Entstanden unter Bedingungen, die ebenso unkonventionell und damit auch nicht „allgemein anerkannt“ sind. Man denke nur an die Häuser von Marcel Raymaekers, mit Portiken aus abgerissenen Kirchen oder Lichtkuppeln aus ausgemusterten Kampfjets. Ganze Häuser aus Spolien, von den Baufamilien selbst gebaut. Wie können wir eine solche Architektur in unserer Welt einordnen, ermöglichen und vielleicht sogar „üblich“ werden lassen?”
-Anna Femmer, Florian Summa aus: Mängelfrei Reader







